Lange warnen deutsche Sicherheitsbehörden vor der steigenden Spionage aus China. Aktuelle Verdachtsfälle unterstreichen, wie ernst die Gefahr verdeckter Einflussnahme auf die Politik geworden ist. Doch wie agiert China hierbei?
Früher war chinesische Spionage in Deutschland kaum ein Thema. In den Verfassungsschutzberichten von 1982 bis 1995 wurden chinesische Aktivitäten nicht erwähnt. Damals schien die deutsche Regierung gute Beziehungen zu China, vor allem aus wirtschaftlichen Gründen, priorisieren zu wollen.
Heute hat sich die Haltung der Sicherheitsbehörden jedoch drastisch geändert. Thomas Haldenwang, der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), zitiert gerne seinen britischen Kollegen vom MI5: Während Russland ein Sturm sei, gleiche China dem Klimawandel. Dies verdeutlicht die wachsende sicherheitspolitische Herausforderung, die China auf verschiedenen Ebenen darstellt.
In den letzten Jahren haben Chinas Geheimdienste ihre Aktivitäten in Deutschland merklich intensiviert. Früher war es vor allem die Wirtschafts- und Industriespionage, die deutschen Unternehmen zu schaffen machte, darunter Cyberangriffe auf Großkonzerne und mittelständische „Hidden Champions“. Der Fokus hat sich jedoch zunehmend auf die Wissenschaft verlagert. Universitäten und Forschungseinrichtungen sind ins Visier geraten, da China wertvolle Forschungsergebnisse erlangen möchte. Dies geschieht nicht nur durch Hackerangriffe oder Spione auf Plattformen wie LinkedIn, sondern auch durch akademischen Austausch und Kooperationen.
Schätzungen zufolge studieren derzeit über 40.000 chinesische Studenten in Deutschland. Sicherheitsunternehmen wie die Brillstein Security Group verzeichnen einen Anstieg an Anfragen von Privatunternehmen, die sich gegen Spionage schützen wollen. Und China ist nicht das einzige Land, das spioniert; auch Russland, der Iran, die Türkei und sogar befreundete Länder wie die USA und Frankreich sind aktiv.
Beim Verfassungsschutz geht man davon aus, dass viele dieser chinesischen Studenten enge Verbindungen zum chinesischen Staat haben, insbesondere über Botschaften, Konsulate und Chatgruppen. Dies gilt besonders für Stipendiaten, die über spezielle Programme nach Deutschland kommen.
Chinesische Spione interessieren sich vor allem für militärisch nutzbare Technologien, wie Antriebstechnologien für Raketen, Laser, Mikrochips, Robotik und Künstliche Intelligenz. Dabei wird nicht nur Spionage eingesetzt, sondern auch Wissenstransfer durch Firmenübernahmen oder Direktinvestitionen angestrebt. Gleichzeitig beobachtet China auch weiterhin Exil-Communities, darunter Regimekritiker und Vertreter der uigurischen und tibetischen Volksgruppen.
Neben der technologischen Spionage nimmt die politische Spionage in Europa zu. Hier geht es China nicht nur um Informationsbeschaffung, sondern auch um verdeckte Einflussnahme auf die europäische Außen-, Wirtschafts- und Sicherheitspolitik. Besonders im Fokus stehen das Ministerium für Staatssicherheit, das Ministerium für Öffentliche Sicherheit und die Volksbefreiungsarmee mit ihren Hacker-Einheiten.
Ein neuer Akteur ist das Internationale Verbindungsbüro der Kommunistischen Partei Chinas (IDCPC), das weltweit politische Netzwerke aufbaut und politische Prozesse im Sinne Pekings beeinflussen möchte. Laut Verfassungsschutz agiert das IDCPC inzwischen de facto wie ein Nachrichtendienst Chinas. Ziel ist es, einflussreiche Personen zu Handlungen im Interesse der Kommunistischen Partei Chinas zu bewegen.
In Deutschland ist die verdeckte Einflussnahme fremder Staaten nicht direkt strafbar. Strafbar ist nur die Agententätigkeit, wenn eine Verbindung zu einem ausländischen Geheimdienst nachgewiesen werden kann, und die Bestechung von Mandatsträgern.