Notwehr. Verhältnismässigkeit der Mittel. Wann ist eine Situation eine legale NOTWEHR-Situation, und wann nicht? Darf ich Waffen für meine Verteidigung einsetzen, und wann mache ich mich selbst dabei strafbar?
Um es vorweg zu nehmen: JA, man kann, darf und sollte Waffen – und zwar grundsätzlich ALLE Waffen – legal für die Verteidigung und Notwehr einsetzen.
Der Teufel liegt – wie schon bei Goethe – im Detail… – man kann weder pauschal Ja, noch Nein sagen. Wie immer im Leben ist eine SITUATION, und auf deren exakte Umstände kommt es eben an.
Ohne auf die einzelnen Gesetze und Paragraphen einzugehen, hier ein kleine praxisorientierte Übersicht für die reale Welt der Selbstverteidigung. Ich spreche hier nicht sämtliche Aspekte der Notwehr an, sondern möchte Denkanstösse geben zu bestimmten Bereichen dieses Themas:
1. Wann ist Notwehr eigentlich Notwehr?
Eine legale Notwehr ist zulässig, wenn wir durch einen Angreifer unrechtmässig attackiert werden (also nicht z.B. eine Polizeifestnahme oder eine Bürgerfestnahme oder Ausübung des Hausrechts). Der unrechtmässige Angriff muss unmittelbar bevorstehen (das ist bereits eine gesetzliche Gummi-Formulierung, die so ihre Tücken hat) oder der Angriff muss bereits erfolgen.
Die Abwehr muss verhältnismässig sein, und darf Angreifer nicht unangemessen schwer verletzen; also bei reinem Festhalten dürfen wir den Angreifer nicht brutal abwehren, sofern nicht durch das Festhalten eine grössere Gefahr droht, zum Beispiel ein Komplize, der uns dann mit einem Knüppel oder Messer angreifen will, während wir festgehalten werden.
Die VERHÄLTNISMÄSSIGKEIT macht aber auch den Unterschied, WIE man eine Waffe tatsächlich einsetzt. Ein Messer ist potentiell tödlich, kann aber auch – das richtige Training vorausgesetzt – NICHTTÖDLICH zur Abwehr eingesetzt werden. Dies gilt prinzipiell für ALLE Waffen, selbst für Schusswaffen. Andererseits kann man auch an sich eher „nichttödliche Waffe“ – wie einen Stock – tödlich einsetzen, auch auf ungesetzliche Weise, selbst wenn er legal mitgeführt werden kann
Der entscheidende Punkt ist das RICHTIGE TRAINING, so dass man i. eine Waffe auch wirklich nichttödlich anwenden kann, auch unter Stress und ii. so dass man auch juristisch glaubhaft machen kann in der Lage zu sein, um einen solchen Unterschied machen zu können. Es kann ohne eine solche Glaubhaftmachung sonst zum Vorwurf einer versuchten Tötung kommen, etwa im Falle einer Verteidigung mit einem Messer; kann man aber aufweisen und glaubhaft machen, dass man z.B. ein Messer gezielt nichttödlich eingesetzt hat (und nicht nur zufällig), ist die Situation rechtlich ganz erheblich besser.
Bei einem tatsächlichen Angriff ist die Lage noch einigermassen leicht einzuschätzen.
Was aber bedeutet „ein Angriff steht unmittelbar bevor“?
Rein juristisch dürfen wir uns durchaus VORBEUGEND, also präventiv verteidigen, etwa wenn wir davon ausgehen können und müssen, dass ein Angreifer unmittelbar angreifen wird – im Sinne von: es ist offensichtlich, dass der Angriff gerade vorbereitet wird.
Aber wie können wir sicher sein, DASS ein Angreifer uns mit grosser Wahrscheinlichkeit gleich angreifen wird? Es gibt Situationen, in denen kann man die Wahrscheinlichkeit dadurch erkennen, weil z.B. ein Angreifer bereits Andere in der Nähe unmittelbar zuvor angegriffen hat, und nun direkt auf DICH zusteuert. Dann ist davon auszugehen, dass er auch dich angreifen will.
Ist die Flucht nicht möglich, dann darfst du einen solchen Angreifer auch präventiv davon abhalten, nun DICH anzugreifen. Die Verhältnismässigkeit bleibt natürlich weiter zu beachten.
Hier hängt man juristisch aber schnell in der Luft…
Ein Beispiel: einem Wachmann in einem Kaufhaus steht plötzlich einem Dieb gegenüber, der ein Messer zieht. Der Wachmann nimmt seinen Teleskopschlagstock und schlägt dem Dieb auf die Hand, bricht ihm dabei das Handgelenk. Der Dieb wird dann festgenommen. Ist das zulässige Notwehr gewesen? Nein, so entschied ein zuständiger Richter. Der Wachmann hat keinen Anlass, zu zuschlagen, weil der Dieb nur mit dem Messer DROHTE, aber gar nicht tatsächlich angegriffen hat.
Es gab keinen Beweis dafür, dass der Dieb zustechen wollte – vor Gericht bestritt der Dieb den Vorwurf auch; er gab an, er habe nur „gedroht“ weil er Angst vor dem Wachmann hatte. Urteil: Verurteilung des Wachmanns wegen schwerer Körperverletzung, der Wachmann verlor Job und seine Zulassung für den Wachdienst, plus hohe Kosten für Verfahren und Entschädigung.
Die Problematik liegt oft darin, Dinge beweisen zu können. Es zählt halt NICHT, was man glaubt, denkt oder fühlt, sondern vor Gericht zählen letztlich nur Beweise.
Objektiv gesehen hat der Wachmann falsch reagiert, menschlich verständlich, aber juristisch und professionell falsch. Viele Sicherheitsleute kennen dieses Problem und jedes Jahr werden viele Sicherheitsleute aus ähnlichen Gründen verurteilt.
Es reicht NICHT aus, im Rahmen der IHK-Ausbildung für Wach- und Sicherheitsdienst das Gesetz zu LERNEN und zu kennen. Man muss das UMSETZEN der Gesetze konkret in den vielen möglichen Situationen der Realität trainieren.
Der Wachmann HÄTTE den Stock zur Verteidigung einsetzen können, aber dies hätte auf eine andere Weise erfolgen müssen, damit es juristisch einwandfrei wäre.
Das Zuschlagen war IN DER SITUATION – nach Ansicht der Justiz – nicht nötig. Der Wachmann hätte das Eintreffen der Polizei abwarten können und müssen.
Im Training für Nahkampf muss man die richtigen Konzepte für solche Situationen trainieren. Das ist das A und O für den Sicherheitsdienst, aber auch für die private Verteidigung. Denn nur DANN hat man in einer Notsituation – in der wir nur wenige Sekunden Zeit haben – die nötige Erfahrung, um richtig zu reagieren! Man kann es sich als Verteidiger nicht leisten, dann zu zweifeln, sondern man muss es dann WISSEN, was legal ist, was nicht. Dies erreichen wir aber nur durch das richtige und konsequente Training.
2. Welche Waffen darf man für die Notwehr einsetzen?
Auch wenn dies vielfach anders dargestellt wird – vor Allem in Kampfsportschulen und in Sicherheitskursen – aber GRUNDSÄTZLICH darf man JEDE Waffe und JEDES Objekt – selbst ein Auto – als Verteidigungswaffe benutzen, auch in Deutschland. Und dies schliesst auch Schusswaffen mit ein.
Wie jetzt? Es gibt doch sogar schon rechtliche Probleme, wenn Mann Tränengas zur Notwehr gegen Personen einsetzt, oder? Dazu sage ich ein ganz klares JEIN…
Es gibt für jede Waffe und jeden Gegenstand sowohl legale und auch illegale Nutzungsmöglichkeiten.
Es hängt davon ab, ob DU in DIESER Situation eines tatsächlichen Angriffs auf Leib und Leben – dh. NICHT zwingend bei Angriffe auf Wertsachen etwa – die konkrete Waffe, um die es geht, legal mitführen durftest, oder (etwa nach Entwaffnung) ob du diese Waffe verhältnismässig und rechtskonform benutzt hast. Bei einem Terrorangriff – um ein extremes Beispiel zu nennen – darfst durchaus ein AK47 aufheben, welches ein Terrorist fallen liess, und dich mit dem Sturmgewehr dann gegen weitere Terroristen verteidigen.
Ok, ist ein extremes Beispiel, aber es soll nur den PUNKT verdeutlichen: du darfst JEDE Waffe legal benutzen, wenn die UMSTÄNDE dazu rechtlich passen.
Die Realität… – es gibt 3 verschiedene Bereiche, auf die man unbedingt beachten und kennen muss:
- DEINE PERSÖNLICHE BEWAFFNUNG – das Mitführen von verbotenen Waffen und Gegenständen führt automatisch zu rechtlichen Problemen, selbst wenn man diese gar nicht BENUTZT, sondern nur mitführt und damit „droht“. Dh. abhängig von dem Ort, an dem man sich gerade befindet, muss man die örtlichen Gesetze in Bezug auf das Mitführen von Waffen beachten, um einerseits nicht in eine schwierige rechtliche Lage zu geraten, denn wenn man einen verbotenen Gegenstand zur Notwehr einsetzt hat man das Notwehrrecht dann nicht mehr auf seiner Seite. Es gilt also, die RICHTIGE – sprich: legale – eigene Bewaffnung zu finden für die jeweilige Situation. Und wer z.B. in Urlaub fährt sollte einerseits die Gesetze kennen vor Ort kennen – inkl. der eigenen Möglichkeiten, die im Ausland kleiner oder umfangreicher sein können – als auch die Gepflogenheiten vor Ort, denn in grossen Teilen der Welt sind Männer regelmässig mit Messern und/oder Macheten bewaffnet, und zwar dort vor Ort vollkommen LEGAL; auf eine solche Lage sollte man sich EINSTELLEN, wenn man an Sicherheit interessiert ist. Deutschland ist nicht die Welt. Setze nicht voraus, dass im Ausland die gleichen Bedingungen gelten.
- DIE BEWAFFNUNG EINES ANGREIFERS – wir können und SOLLTEN nicht mehr erwarten, in heutiger Zeit, dass ein Angreifer sich an deutsches Recht hält (bezogen jetzt mal auf Deutschland). Dh. wir können mit grosser Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass ein Angreifer NICHT die Einhaltung deutscher Gesetze als Priorität hat – ironisch gesagt – sondern dass er bewaffnet angreift (Messerattacken allgegenwärtig) oder dass er nicht alleine angreift, sondern in einer Bande oder Gruppe, mit mehreren bewaffneten Tätern. Die typischen Hyänenattacken, von denen die Medien leider täglich berichten. DIES ÄNDERT UNSERE NOTWEHRSITUATION, und zwar erheblich. Es zeigt zum Einen auf, dass Nahkampf heute andere Regeln hat, und eine persönliche Bewaffnung mit ALLEN LEGALEN MÖGLICHKEITEN sollte die Regel sein, um sich wirksam verteidigen zu können. WENN es sich um einen rechtswidrigen, akuten Angriff handelt – gehen wir mal davon aus – dann dürfen wir ALLES tun, was nötig ist, um unser Leben zu schützen. Ein Messerstecher nimmt unseren Tod minimal in Kauf oder will uns explizit töten. In einer solchen Situationen der gegenwärtigen, akuten Lebensgefahr dürfen wir selbst auch tödliche Gewalt nutzen, wenn eine Flucht z.B. nicht möglich ist. WIE GESAGT: die Umstände müssen eine wirkliche Gefahr für unser Leben bedeuten, und es darf keinen anderen Ausweg (wie Flucht) geben in dieser spezifischen Situation. In einer solchen Lage können wir juristisch rechtfertigen, wenn wir einen Gegenstand oder eine Waffe, der uns in dieser Lage zur Verfügung steht, mit tödlicher Gewalt zur Notwehr einsetzen. Wir dürfen dies aber NICHT, wenn ein Täter seinen Angriff abbricht, fortläuft o.ä. Insofern gibt es hier situationsbezogene Umstände, die auch im Training berücksichtigt werden müssen, und zwar GEZIELT und praktisch, nicht nur theoretisch.
- DIE LAGE NACH EINER ENTWAFFNUNG EINES ANGREIFERS – Der Satz „Deutschland ist nicht die Welt“ hat eine zweite Seite der Medaille… eigentlich sogar auch noch eine dritte… zumindest in Bezug auf eine mögliche Entwaffnung von Angreifern:
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- fast alle Kampfsportler und Nahkämpfer trainieren die Abwehr von Waffenangriffen. Lassen wir die Diskussion um den Sinn und den Realismus der einzelnen Übungen einmal ausser Acht. Tatsache aber ist, dass WENN wir einen Angreifer entwaffnen, dann ist es sehr gut möglich und wahrscheinlich, dass dies eine illegale, verbotene Waffe betrifft. Ein langes Messer, eine Machete, ein Schusswaffe. Wir halten dann eine illegale Waffe in der Hand… Ja, nach deutschen Gesetzen ist das verboten, aber was ändert das, für diese NOTWEHRSITUATION, wenn unser Leben weiter bedroht ist? Nichts. Den Gewalttätern sind, ganz offenbar, deutsche Gesetze EGAL. Und hier liegt die Krux des Problems: wir MÜSSEN im Training mit ALLEN Waffen (simuliert) trainieren, die uns in der REALITÄT begegnen können. Dies schliesst DEFINITIV auch verbotene Waffen mit ein. Ich kann ehrlich gesagt die Sprüche von „Experten“ nicht mehr hören, die bei jeder Gelegenheit ihr „Wissen“ ausposaunen, indem sie sagen: Ja DAS ist aber verboten in Deutschland… Es ist IGNORANZ, so zu denken. Die wahre Welt ist anders. Wir MÜSSEN ganz gezielt und bewusst unsere Verteidigung einstellen auf die ILLEGALEN Waffen, denn DIE begegnen uns in der Realität am häufigsten; wir müssen darum darauf intensiv im Training eingehen. Warum? Dazu der nächste Punkt:
- WENN wir tatsächlich einen Angreifer mit einer illegalen Waffe entwaffnet haben, dann halten wir im Erfolgsfalle selbst diese Waffe in der Hand. Ein Training der Entwaffnung wäre VÖLLIG UNVERANTWORTLICH und unvollständig, wenn ich als Verteidiger dann diese Waffe nicht selbst benutzen kann, wenn ich nicht weiss welche Wirkung diese Waffe hat, wenn ich nicht weiss wie eine Schusswaffe reagiert wenn sie abgefeuert wird, wenn ich nicht weiss, wie man diese Waffe im brutalen NAHKAMPF dann einsetzen muss. Das Schiessen auf Pappscheiben ist etwas völlig anderes, als ein brutales Feuergefecht in unter 2m Distanz! Und die Realität ist: viele Überfälle finden im absoluten Nahbereich statt. – Zurück zum Punkt: wenn wir Entwaffnung trainieren, haben wir GRÖSSTES INTERESSE, um persönlich die Nutzung der jeweiligen Waffe zu kennen und möglichst auch zu beherrschen. Warum? Weil Gewalttäter nicht zwingend vor lauter Angst weglaufen, nur weil du nun die Waffe in der Hand hältst, IM GEGENTEIL, viele gewohnheitsmässige Gewalttäter greifen dich dann erst recht und besonders brutal an – das zeigt die Realität. Auch bewaffnete Soldaten und Polizisten werden heute angegriffen, regelmässig und immer häufiger. Wenn du, als Verteidiger, unsicher wirkst oder offenbar nicht mit der Waffe sofort richtig umgehen kannst, dann NÜTZT DIR DIE WAFFE NICHTS. Wenn dann vielleicht noch Komplizen zur Stelle sind, musst du mit brutalsten Angriffen auf dein Leben rechnen. Wenn du durch eine Entwaffnung in den Besitz einer Waffe gelangst – legal oder illegal – musst du situationsbedingt immer noch rechtmässig handeln, aber du musst zugleich auch technisch wissen, WIE du die Waffe benutzt. Kannst du vorab wissen, mit WELCHER Waffe du demnächst evtl. angegriffen wirst? Machete, Hammer, Axt, Messer, Schwert, Schusswaffe? Vermutlich wohl eher nicht. Darum MUSST du dich – um realistisch verteidigungsfähig zu sein – in deinem Training zwangsweise auf ALLE Waffen einstellen und den Gebrauch trainieren. Das Argument „ja das ist aber in Deutschland verboten“ DARF es für dich in Bezug auf dein Training nicht geben! Du sollst dich an die Gesetze halten, du musst aber korrekt handeln können, wenn Angreifer dies nicht tun, und Letzteres ist heute die Regel! Darum hast du keine Wahl, und musst dich mit ALLEN möglichen Waffentypen im Training beschäftigen.
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Um es klar zu sagen: ich plädiere dafür, dass du und wir Alle uns an die Gesetze halten. Punkt. Somit auch an das Notwehrrecht.
Aber wir können nicht erwarten, dass Angreifer dies tun. Im Gegenteil. Die Welt ist vielfach brutaler geworden, und bewaffnete Attacken und Rudelangriffe sind heute trauriger Teil des Alltags. Wir müssen unser Training des Nahkampfs auf diese REALITÄT ausrichten. Die alten Ziele von Fairness, Sport, Respekt vor dem Gegner sind für die Strasse FALSCH und GEFÄHRLICH.
Und man sollte sich im Rahmen des Training auch intensiv auf die mentale Seite des Trainings konzentrieren – Vorbereitung auf die immense Brutalität etwa, oder wie wir Angst positiv zu unserem Nutzen einsetzen können, und uns auch vertraut damit machen, dass tödliche Gewalt heute Teil der alltäglichen Welt in Westeuropa geworden ist.
Wie gehen wir damit um – mental – und wie weit können oder MÜSSEN wir gehen, wenn unser Leben in Gefahr ist?
Dieser Artikel soll Denkanstösse liefern, ich habe nicht sämtliche Einzelheiten angesprochen und nicht Alles komplett im Detail ausgeführt.
Gerne diskutiere ich mit dir weiter über dieses Thema, wenn du magst. Schreib mich gern dazu an.
Gruss von
Mike Malak
Mitbegründer von SEI DEIN EIGENER BODYGUARD