Selbstverteidigung (SV) ist vermutlich NICHT das, was du denkst. Wenn Jemand sagt „ich trainiere Selbstverteidigung“, meinen die Leute in aller Regel „Kampfsport“ oder „Kampfkunst“, oder einen speziellen Stil davon. Die Problematik bei vermutlich mindestens 90% aller dieser Trainingsmethoden und „Kampfkünsten“ ist, dass kaum ein Trainer seinen Schülern erklärt, was Selbstverteidigung eigentlich wirklich ist – aus juristischer Sicht – also wann und wie man die erlernten Techniken überhaupt anwenden darf. Dieser Aspekt kommt drastisch zu kurz, und als Resultat gibt es so viele Anklagen und Verurteilungen wegen Körperverletzung.
Kurz gesagt: Selbstverteidigung ist NOTWEHR. Die Regeln des Einsatzes („rules of engagement“) werden durch das GESETZ vorgegeben, nicht durch die erlernten Techniken, und auch nicht durch die Philosophie eines Trainers oder „Stils“. Ich wage zu behaupten, dass der allergrösste Teil des Unterrichts im Rahmen des Begriffs „Selbstverteidigung“ auf alle möglichen sportlichen und technischen Elemente eingeht, aber eben NICHT auf Notwehraspekte.
Ist in deinem Training die juristische Argumentation in jeder einzelnen deiner Bewegungen, die du trainierst, mit einbegriffen? Wenn nicht, dann handelt es sich nicht um „Selbstverteidigung“, sprich Notwehr. Dieser Begriff ist ein JURISTISCHER Begriff. Es klingt wie Wortklauberei und Haarspalterei, aber was ich versuche zu verdeutlichen ist EXTREM BEDEUTUNGSVOLL, wenn dir deine Freiheit lieb ist. Aus meiner Sicht – und dies praktizieren wir im Malak Kali – muss ein Konzept zur Selbstverteidigung die Grundsätze der Notwehr zu 100% berücksichtigen.
SIEGEN heisst nicht, „einen Kampf zu gewinnen“, schon gar nicht mit allen Mitteln. “Siegen” muss heissen “SICH ZU RETTEN” mit der minimalst möglichen Gewaltanwendung – nur das ist dann noch Notwehr. In Teil 1 und Teil 2 dieses Artikels habe ich bereits darauf hingewiesen, wie gefährlich das Macho-Denken ist, das „toughe Erscheinungsbild“ das so Viele von sich zeichnen, in Posts auf Social Media oder sonstig in ihren Aussagen. Man kann nicht ernstlich von „Sieg“ oder „Survival“ reden, wenn man zwar einen Gegner umknallt, aber dann im Gefängnis landet, Haus und Hof verliert, die eigene Familie zerstört hat, der Job futsch ist, und man dann Monate oder Jahre in einem Käfig eingesperrt wird. Siegen darf nicht heissen, dass anschliessend die Zukunft versaut ist.
Der äussere Rahmen der Selbstverteidigung ist das NOTWEHRGESETZ
Wenn du nicht ins Gefängnis wandern willst oder in Kauf nehmen willst, dass eine Vorstrafe dir den Rest des Lebens verdirbt, müssen alle deine Aktionen innerhalb des Rahmens bleiben. Die Justizbeamten wissen nach einer Auseinandersetzung, in die du verwickelt warst nicht, ob du ein „Guter“ bist, oder ein „Böser“. Sie betrachten deine Aktionen, und wenn diese Handlungen zeigen, dass du das Gesetz gebrochen hast, bist du für sie ein „Böser“. Darum darfst du dich nicht automatisch geschützt fühlen durch das Gesetz, wenn du bei der „Selbstverteidigung“ den Bogen überspannt hast.
Selbstverteidigung (SV) ist NICHT Jiu-Jitsu, Krav Maga, Karate, Boxen oder Kali Messerkampf oder eine andere „Kampfkunst“
SV ist der Begriff, denn du zu deiner juristischen Verteidigung benutzt, wenn die Polizei aufkreuzt, oder vor Gericht. SV hat NICHTS zu tun mit dem Kampfstil, den du trainierst. SV ist alleinig ein juristischer Begriff, der durch das Notwehrrecht beschrieben wird. Nur das, und Nichts anderes ist SV. Um diese klar definierten juristischen Massgaben einhalten zu können, müssen alle deine Handlungen deutlich innerhalb dieses Rahmens bleiben. Dies gilt ganz besonders für Handlungen, die Verletzungen oder gar den Tod einer dritten Personen zur Folge haben.
Und weil diese von grösster Bedeutung ist, spielt es eine erhebliche Rolle, innerhalb der „rules of engagement“ zu bleiben. Selbst kriegerische Umstände lassen nicht zu, dass ein Soldat auf Jeden schiessen darf, nur weil er sich bedroht fühlt. Auch Soldaten landen im Gefängnis, wenn die Regeln nicht eingehalten werden.
Das grosse Problem ist, dass zu viele „Kampfsportler“ und Bürger allgemein den Begriff „Selbstverteidigung“ zu weit und falsch auslegen. Die wirkliche Bedeutung, die sehr eng gefasst ist, wird zu wenig oder gar nicht berücksichtigt. Kampfsportler und ihre Trainer schaffen sich einfach ihre eigenen Regeln der „Selbstverteidigung“. Und im internationalen Kontext wird es noch schwieriger. Das, was du daheim im Rahmen der „Notwehr“ tun darfst, ist nicht zwingend auch das, was dir an irgendwelchen Urlaubsorten erlaubt ist.
Auch darüber musst du dir im Klaren sein. Zum Beispiel, ein Messer zu ziehen ist in England IN SICH SELBST bereits eine Straftat, und bringt dich hinter Gitter – auch dann, wenn du meinst, es wäre in “Selbstverteidigung” geschehen.
Das Imponiergehabe, Trainingsmethoden die an sich bereits den Rahmen des Notwehrgesetzes brechen (weil Techniken grundsätzlich auf schwere und schwerste Verletzungen ausgelegt sind), und dann noch öffentliche Aussagen, die bereits die Absicht zur Verletzung oder Tötung verdeutlichen – all diese Dinge können sehr leicht dazu führen, dass du weit ausserhalb von „Selbstverteidigung“ bist.
Ein kurzes Beispiel aus der juristischen Realität: als ein Wachmann einen Ladendieb stellte, zog der Dieb ein Messer und bedrohte den Wachmann damit. Der Wachmann zog einen Stock und schlug dem Dieb aufs Handgelenk. Verurteilt wurde DER WACHMANN, er musste Schmerzensgeld zahlen, und verlor den Job… Argument des Gerichts: der Dieb stand ja nur da und hat nicht zugestochen, man hätte die Situation auch ohne Gewalt lösen können… Es wird von dir erwartet, zu DEESKALIEREN, und nicht „den Kampf“ auf die nächst-schlimmere Stufe zu bringen. NUR DAS ist Notwehr…
Du musst die WIRKLICHE Notwehr ins Zentrum deines Trainings stellen. Glaub es einem Sicherheitsausbilder mit 35 Jahren Erfahrung, der dereinst auch bitter lernen musste, was zulässige Selbstverteidigung bedeutet. Die beste und rechtlich sicherste Methodik ist die Anwendung ECHTER UND PROFESSIONELLER PERSONENSCHUTZTAKTIK. Nur sie liegt1:1 auf Höhe der Notwehr.
Gefahr VERHINDERN, Gefahr UMGEHEN, sich in SICHERHEIT BRINGEN, und „Kampf“ vermeiden – das ist das einzig rechtlich zulässige Notwehrkonzept. Gewaltanwendung allein dann, wenn ein Angriff auf Leib und Leben bereits stattfindet, und dann nur mit „angemessenen Mittel“. Die Eskalierung einer Situation oder die Teilnahme an einer Schlägerei etwa, schliesst dagegen eine juristische Verteidigung nach Notwehrgesetzen fast zu 100% im Voraus aus.
Unterlasse das aggressives Auftreten in der Öffentlichkeit und alle Äusserungen, die auf deine vorherige Absicht schliessen lassen, dass du Gewalt anwenden willst. Baue dein Training vollständig so um, dass Notwehr der Grundsatz aller deiner Handlungen wird. NICHT SIEGEN mit allen Mitteln, sondern Deeskalierung mit allen Mitteln.
Auch wenn es jetzt so klingt, dass dir quasi beide Arme hinterm Rücken gefesselt werden, und du dich aus der schlecht-möglichsten Lage heraus verteidigen musst – aber exakt DAS ist nötig, um auf der Basis der legalen Notwehr zu handeln.
Nicht Gewalt und Aggression sind die bessere Lösung, sondern Gesetz und Ordnung, Verhältnismässigkeit der Mittel und Deeskalierung. Verlässt du diesen Rahmen, wirst du in einer wirklichen Notwehrsituation vermutlich irgendwann mehr verlieren, als du gewinnen kannst.
Teil 1 dieses Artikels… Teil 2 dieses Artikel…
Autor: Mike Malak, seit 35 Jahren Personenschützer und seit 30 Jahren Ausbilder für Personenschutz, Verteidigung, Selbstschutz und Survival – Mitbegründer des Malak Kali Konzepts SEI DEIN EIGENER BODYGUARD